Samstag, 14. September 2013

Normandie

Die Tage werden wieder kürzer, das Wetter rauer. Der Herbst will anscheinend Einzug halten. Da schwelge ich gerne in meinen Erinnerungen an wunderschöne Sommerferientage in der Normandie:

Schon die Anreise war ein kleines Abenteuer. Unser Auto schwächelte. Es ist nicht ganz so lustig, wenn das Standgas nicht mehr funktioniert bei Frankreichs zahlreichen Mautstellen.... Mein Mann hat da gottseidank Nerven wie Drahtseile und so schafften wir es mit viel Zwischengas bis an unser Ziel und konnten am nächsten Tag in Ruhe den Pannendienst anfordern. Nun die Quizfrage? Was heisst denn "Standgas" auf französisch? ... Ja, mir ging es auch so. Der Mechaniker war jedoch, erstens, sehr freundlich und zweitens, sehr kompetent. Das Problem war rasch gefunden: Ein zerbröselter Schlauch, der Luft angesogen hatte. Das Problem war ganz schnell durch ein "provisoire" behoben. Wir sollten aber sicherheitshalber am nächsten Tag in eine Fordgarage gehen und ein Originalteil einsetzen lassen. Dank Internet fanden wir den Fordgaragisten rasch. Als ich der Dame am Empfang unser Problem schilderte, meldete sie uns telefonisch beim Mechaniker als "des personnes étrangers bizarres", hm, soviel französisch verstehe ich, meine Liebe...Der Mechaniker schaute sich das Problem an und meinte, so ein Teil habe er noch nie gesehen. Nach einer Viertel Stunde kamen er und sein Kollege zum Schluss, das Ersatzteil bestellen zu müssen. Morgen können wir wieder kommen. Ok. Am nächsten Tag, gleicher Ort, verkündete er, die Lieferung dauere 14 Tage, da das Teil in der Schweiz bestellt werden müsste... Na gut. Bis da sind wir wieder zu hause. Er versicherte uns jedoch, es sei ein sehr gutes Provisorium. Damit könnten wir problemlos fahren. Ok. Unser Urlaub konnte nun definitiv beginnen.



Wir verbrachten 10 Tage auf dem Campingplatz "Le Champ de Course" in Courseulles-sur-Mer, einem schmucken Ferienort direkt am Meer. Courseulles liegt am "Juno-Beach". Im Rahmen des D-Day in der Normandie landeten an diesem Strandabschnitt am 6. Juni 1944 kanadische Truppen. Hier war es auch, wo General Charles de Gaulle wieder französischen Boden betreten hatte.

Überall entlang der Landungsstrände: Gedenksteine - sichtbar gemachte Dankbarkeit des französischen Volkes

unser zuhause für 10 Tage

Kilometer lange Sandstrände, schier unvorstellbar, was sich hier vor 69 Jahren zugetragen hat.




Lothringerkreuz: Symbol für die Rückkehr von General de Gaulle




Faszinierend: das Spiel der Gezeiten





ehemaliger Bahnhof von Courseulles, heute ein Kino




Bei Ebbe lässts sich wunderbar "Schwedenschach" spielen.
Quatorze Juillet - Frankreichs Nationalfeiertag

Sonnenuntergänge - immer und überall romantisch


Da wir die ersten paar Tage ziemlich starken Wind hatten (eine Nervenprobe in unserem Zelt...), bestimmte das Wetter unser Programm. An Baden war nicht zu denken und so erkundeten wir die zahlreichen Museen und Sehenswürdigkeiten der Region. Zu Beginn besuchten wir das Memorial in Caen. Was dieses Museum hervorhebt ist seine Grösse und die Tatsache, dass im Gegensatz zu anderen Museen der Normandie die ganze Geschichte des zweiten Weltkrieges ausführlich veranschaulicht wird. Der relativ hohe Eintrittspreis (49 Euro Familien) ist jedenfalls durchaus gerechtfertigt. Die Beschriftung gibt es hier auch in Deutsch. Allerdings muss genügend Zeit und evtl. sogar eine Mittagspause eingeplant werden. Als wir raus kamen waren wir platt von all den Eindrücken. Ich habe übrigens unsere Kinder im Vorfeld unseres Urlaubs schon etwas vorbereitet und ihnen die Geschichte des zweiten Weltkriegs näher gebracht. Sehr gute, kindgerechte Infos fand ich auf dieser Webseite.





ein Stück Mauer aus Stalingrad


Der Pointe du Hoc ist ein markanter Felsvorsprung auf dem die Deutschen eine starke Artilleriebatterie aufgebaut hatten. In den frühen Morgenstunden des D-Day wurde die Batterie bombardiert. Die Hauptarbeit leisteten speziell ausgebildete Ranger, die mit Klappleitern und Seilen die Klippen erklommen. Zahlreiche noch sichtbare Bombentrichter zeugen eindrucksvoll von diesen Kämpfen.









Der Omaha Beach war der am stärksten umkämpfte Strandabschnitt am D-Day. Für die amerikanischen Truppen war die Landung hier ein äusserst verlustreiches Unterfangen. In 24 Stunden starben rund 3000 Soldaten.

Metallskulptur am Strand von Saint-Laurent-sur-Mer



In Saint-Laurent-sur-Mer haben wir das Musée Mémorial d'Omaha Beach besucht. Hier gibt es vor allem nachgestellte Szenen, Gegenstände, Uniformen, Waffen und Fahrzeuge zu sehen.






Ganz in der Nähe, in Colleville-sur-Mer liegt der berühmte amerikanische Soldatenfriedhof. Tausende in Reih und Glied stehende Marmorkreuze erinnern an die zahlreichen Opfer. Im dazugehörenden Visitor Center werden zahlreiche Filme gezeigt. Beim Verlassen des Besucherzentrums, kommt man durch einen Gang, in dem eine Lautsprecherstimme die Namen der Gefallenen liest. Das Visitors Center ist streng bewacht, sprich, man wird beim Eingang durchleuchtet.

Der Garten der Vermissten
9'387 Marmorkreuze und Davidsterne




In Longues-sur-Mer finden sich die Reste einer deutschen Gefechtsbatterie, die zum Atlantikwall gehörte. Die einzige, die heute noch mit Originalkanonen ausgestattet ist.






Arromanches verdankt heute seine Bekanntheit dem berühmten künstlichen Hafen, der zu Ehren des Ideengebers Winston Churchill auch "Port Winston" genannt wird. Das grösste Problem für die alliierten Truppen bei der Operation Overlord war des Fehlen eines funktionstüchtigen Hafens, mit dessen Hilfe sie ihre vorhersehbaren Nachschubprobleme lösen konnten und der ihnen das Anlanden schwerer Waffen und Fahrzeuge ermöglichte. Bereits einen Tag nach der Landung begannen deshalb die Soldaten mit dem Hafenbau: Ausrangierte Schiffe dienten als Wellenbrecher, zudem wurde eine Hafenmauer aus mehr als hundert riesigen, herangeschleppten Betonhohlkörpern errichtet, die man zusammen mit den alten Schiffen vor Ort versenkte. Die bei Ebbe deutlich aus dem Meer ragenden schwarzen Blöcke erinnern bis heute an das alliierte Hafenbecken.

Arromanches 1944





Direkt am Strand von Arromanches befindet sich ein weiteres D-Day-Museum, welches wir jedoch ausgelassen haben. Wir begaben uns stattdessen auf die Klippen etwas oberhalb des Ortes. Hier eröffnet sich eine gigantische Aussicht auf das historische Hafenbecken. Zudem befindet sich hier oben das 360° Kino. Die Ereignisse um den 6. Juni 1944 werden mit vielen Spezialeffekten auf neun Leinwänden geschildert.





In Bénouville steht die bekannte Pégasus-Brücke. Nur wenige Minuten nach Mitternacht, landeten am 6. Juni 1944 Major John Howard und 83 weitere Soldaten der 6. Britischen Luftlandedivision im nahen Ufergebüsch. In einem Handstreich eroberten sie die strategisch wichtige Brücke am Unterlauf der Orne von den deutschen Besatzern. Die alte einspurige Brücke kann heute im Museum besichtigt werden. Sie wurde 1994 durch eine neue zweispurige Brücke ersetzt. 



die neue zweispurige Brücke

Major John Howard

Café Gondrée, angeblich das erste befreite Haus Frankreichs



Original Pegasus-Brücke

Die Artilleriebatterie bei Merville war ebenfalls eine Festung der Reichswehr am Atlantikwall und lag an der Ostflanke der alliierten Landung. Die Bombenangriffe waren erfolglos geblieben, aber das 9. Fallschirmjägerbataillon der 6. britischen Luftlandedivision konnte durch einen unglaublichen Angriff, die in Stellung gebrachten Geschütze in der Nacht vom 5. zum 6. Juni 1944 neutralisieren. In den zu einem Museum umgebauten vier Bunkern befinden sich Filme und historische Ausrüstungsgegenstände. In einem der Bunker findet alle 20 Minuten eine Licht-, Ton-, und Geruchsshow statt, welche die Besucher die Hölle der Bombardierung und des Angriffs miterleben lässt.





Nun hatten wir fünf spannende und eindrucksvolle Besichtigungstage hinter uns. Wir haben sechs Museen resp. Austellungen besucht, viele Filme geschaut, unzählige Bunker und gefühlte tausend Kanonen gesehen (man glaubt gar nicht, wie viele Kanonenbilder Männer so auf eine Speicherkarte bringen....). Dennoch haben wir nur einen Bruchteil dessen gesehen, was die Normandie zu bieten hat. Wir kommen bestimmt wieder. 

Der starke Wind hatte inzwischen nachgelassen und so verbrachten wir noch ein paar unbeschwerte Strandtage, genossen Sonne und Meer bevor wir weiterzogen - wohin? Das ist eine andere Geschichte.